Auf der Fillerei
Bei der ersten Oldenburgischen Landesvermessung 1837, waren die Geometer gehalten die alten, in der Bevölkerung benutzten Lagebezeichnungen in das Kartenwerk aufzunehmen.
Die feuchten, mit hartem Bentgras bestandenen Grünflächen hier an der Soeste führten den Namen „Fillereiwiesen, auf der Fillerei, Fillereikämpe“.[1] Unter fillen verstand man das Abschaben der Fett- und Gewebereste von Tierhäuten zur Weiterverarbeitung; eine Tätigkeit der Gerber. Danach wurden die Häute gesalzen und zum Trocknen auf das feste Gras gelegt.
In Cloppenburg ging an dieser Stelle der Abdecker Friedrich Ritz seiner Arbeit nach. Er hatte die Aufgabe tote Tiere zu entsorgen oder, z.B. Häute zu Leder, Hörner und Hufe zu Dünger sowie Fette zu Schmierstoffen zu verarbeiten. Jährlich mussten ein Paar Handschuhe aus Hundeleder[2] an den Drosten und den Rentmeister geliefert werden. Ritz lebte mit seiner Familie und 15 Kindern sehr kümmerlich hier an der Soeste.[3]
Die Abdeckerei wurde traditionell vom Scharfrichter untervermietet, wir würden heute sagen: an einen Subunternehmer vergeben. In Cloppenburg war nach dem Tod des Scharfrichters Freudenberg im Jahre 1704 die blutige Stelle nicht neu besetzt worden. Sie wurde mit der im Amt Vechta zusammengelegt. Nur die Abdeckerei, die der Scharfrichter immer an seine Knechte verheuert hatte, und nie selbst ausübte, blieb hier vor Ort.
Die beiden Berufe Abdecker und Henker gehörten zu den Unehrenhaften. Die Betroffenen wurden von der Bevölkerung gemieden, mussten abseits der Städte leben und konnten nur unter Ihresgleichen heiraten. „Die Abdeckerei wurde ein schimpfliches, verächtliches, verwerfliches Gewerbe genannt und wer sie betrieb, dem klebte der Makel der Ehrlosigkeit an.“[4] Die soziale Verachtung zeigte sich besonders in den Begräbnissitten. Niemand folgte dem Sarg und man verweigerte die Nachbarschaftspflichten.[5]
An diese alte Nutzung, soll uns der Name des Weges von der Soeste zur Potsdamer Str. erinnern, genauso wie die Straßenbezeichnung Ritzereiweg an den letzte Inhaber des Abdecker-Amtes in Cloppenburg. Leider heißt der Teil an dem er gewohnt und gearbeitet hat, nicht mehr Ritzereiweg sondern Görlitzer Straße.
[1] Übersichtshandriss Flur 30, Cloppenburg- Crapendorf, 1836-37, Katasteramt Cloppenburg, Kopie: Archiv Stadtgeschichte
[2] Prof. Dr. Georg Reinke: Wanderungen durch das Oldenburger Münsterland, 5. Heft, Cloppenburg-Krapendorf-Cappeln, Vechtaer Druckerei und Verlag GmbH, 1927
[3] Gisela Wilbertz: Scharfrichter und Abdecker im Hochstift Osnabrück, Untersuchungen zur Sozialgeschichte zweier „unehrlicher“ Berufe im nordwestdeutschen Raum vom 16. bis zum 19. Jahrh., 1979, S. 158
[4] wie Anm. 2, S. 306
[5] wie Anm. 2, S. 310
Text: H. Warmhold/Archiv Stadtgeschichte – 15.10.2021